Man findet sie überall: in der Politik, der Wirtschaft, dem
Fernsehen - die Fußballmetapher. Warum sollte ich also für diesen
Schachbericht auf sie verzichten? Eben, undenkbar!
Unsere Chancen waren im Vorfeld etwa so hoch einzuschätzen, wie
ein Sieg der zweiten Garnitur von, na sagen wir, Arminia Bielefeld gegen
Bayern München.
In der Realität kommt es natürlich immer mal wieder zu solchen
Überraschungen, das ist uns als Fußballkennern klar - aber zu
sechst gegen den Tabellenzweiten Hoyerswerda, der mit einem Sieg noch eine
theoretische Aufstiegschance hatte?! Das würde schwer werden... Da
Marcel und Peter (sowie El schon seit längerem) fehlten und uns der
Ersatz ausging, traten wir ohne die Bretter eins und fünf, aber auch
ohne Angst an. Eine Niederlage wäre das Normalste der Welt gewesen ...
Aber zu Beginn wehrten wir uns noch nach Kräften. Ich hatte eine
bequeme Stellung gegen Günther Jahnel erreicht und auch Jan stand mit
Schwarz schnell auf Ausgleich. Bei Steffen konnte man die Caro-Kann-Position
wieder mal nur mit elektronischer Hilfe (die uns während des Spiels
ausdrücklich nicht zur Verfügung stand!!!) einschätzen. Norbert
verfügte auch über eine gut spielbare Stellung, während Daniel
mit Schwarz auf dem Brett und der Uhr etwas unter Druck geriet. Ralf-Dieter
schob dafür ruhig seine Bauern nach vorn. Wir waren also noch im Geschäft
- aber wie schnell können ein, zwei Partien kippen?! Und mit dem 0:2-Rucksack
standen wir ja bereits (Vorsicht: 2. Fußballmetapher) vor dem Anpfiff
am Abgrund.
Wie erhofft, konnte RD nach etwa 3 Stunden das 1:2 markieren. Dieser
Punkt war gegen Partieende nur einmal kurz gefährdet, aber ansonsten
agierte Ralf schnörkellos und gut. Nicht im Mannschaftssinne war jedoch
das nächste Partieresultat: Daniel brach unter dem Zeit- und Stellungsdruck
zusammen und bescherte uns das nach Abgrund riechende 1:3. Bei mir wurde
es währenddessen kompliziert. Mein Gegner hatte für 20 Züge
nur noch 10 bis 15 Minuten. Um etwas Gehalt in die Stellung zu bringen,
opferte ich riskant einen Bauern und konnte ihn so zumindest zum Nachdenken
zwingen. Steffen bog langsam auf die Siegerstraße ein und Jan gewann
nach einem gegnerischen Einsteller einen Bauern und wickelte ins Leichtfigurenendspiel
ab. Norbert hatte seine Stellung leider nicht zum besten behandelt und kam
materiell in Nachteil (2 Bauern).
Im 38. Zug überschritt mein Gegner in dann bereits verlorener Position
die Zeit - eine vorher sich anbietende Zugfolge hätte ihm jedoch aussichtsreiches
Spiel versprochen. Aber die Uhr tickte erbarmungslos herunter: 2:3!
Kurz darauf konnte auch Steffen den Punkt einfahren, was erfreulich war,
da wir nicht während des gesamten Matches damit gerechnet hatten -
aber so kennen wir Steffens Partien: verworren, unklar und auf einmal gewinnt
einer der beiden Kontrahenten.
Nach 4 Stunden hatten wir also den Nachteil egalisiert und konnten uns
wegen des 3:3-Zwischenstandes mental selbst feiern. Aber das war natürlich
nicht unser Ziel, schließlich waren noch 2 Punkte zu vergeben ...
und es sah gut aus. Jan hatte ein gewonnenes Läuferendspiel (gleichfarbig)
mit Mehrbauer auf dem Brett und Norbert konnte den Gegner auch wegen seiner
aktiven Figuren einschnüren und das Minusmaterial vergessen machen.
Aber Jan und technische Endspiele und Norbert und dynamische Endspiele ...
ungute Erinnerungen befielen uns. Es konnte noch viel passieren ... Tat
es aber nicht! Vielleicht etwas umständlich, aber sicher verwertete
Jan letztlich seinen Vorteil und münzte die konzentrierte Leistung
verdient in einen Sieg um: 4:3 für uns! Inzwischen war jedem klar,
Hoyerswerda würde nicht aufsteigen wir hätten uns zu sechst mehr
als achtbar geschlagen.
Norbert lehnte gegen Partieende sogar noch ein Remisangebot ab und spielte
auf Sieg. Schließlich musste er sich aber in die Punkteteilung fügen,
was auch okay war, da wir damit tatsächlich 4,5 Zähler gesammelt
hatten. Wahnsinn!
Unter der Hand überlegen wir nun bereits, mit sechs Spielern die
kommende Saison zu bestreiten - aber ich glaube, bittere Rückschläge
würden dann nicht lange auf sich warten lassen.
Mit 10:8 Mannschaftspunkten und dem Bronzerang in der Sachsenliga können
wir hoch zufrieden sein, hatten wir am vorletzten Spieltag doch noch ein
Abstiegsendspiel gegen den VfB Leipzig zu bestreiten. Nach dieser turbulenten
Saison kommen die freien Monate wie gerufen - zum Kraft sammeln und um zu
klären, welche sechs Akteure im ersten Saisonspiel Ende September auflaufen
...
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