Diesmal nehme ich Sie mit auf eine Reise durch die sächsische Turnierschach-Landschaft.
Der folgende Bericht entstand während des Wettbewerbes und vermittelt Ihnen dadurch
hoffentlich den Eindruck, selbst dabei gewesen zu sein. Nur ohne das Startgeld bezahlt zu
haben, selbstverständlich ...
Vorbericht: Der Einsiedler Brauhauscup wartet auch bei seiner fünften Auflage mit neuen
Rekorden auf. Die zahlreichen Geld- (und Bier-) preise locken nicht weniger als 113
Sportfreunde nach Chemnitz.. Der in Aussicht stehende 1000-€-Siegerscheck macht die Reise
nach Südsachsen auch für 13 internationale Titelträger etwas weniger beschwerlich. Zu den
Favoriten zählen die „24-er“ GM Pawel Jaracz, IM Vladimir Okhotnik, IM Ilmars Starostits,
GM Thomas Pähtz und FM Gunter Spieß. Daneben rechnen sich auch Urgesteine wie GM
Lutz Espig, IM Grigory Bogdanovich, WGM Tatjana Melamed und FM Cliff Wichmann
Chancen aus. Trotz der kurzfristigen Absage des regionalen Stars, des Chemnitzer Schach-
Beckenbauers IM Matthias Womacka, ist auch die Karl-Marx-Stadt durch unter anderem FM
Alfredo de la Cruz, FM Carlo Kunze und Alexander Schenk stolz vertreten. Und auch die
Breite des Feldes ist mit knapp 50 Spielern, deren Wertzahl mit einer Zwei beginnt, sehr
beachtlich.
Da gilt es für uns – Norbert Molzahn (Setzlisten-28.), Marcus Rosenblatt (Setzlisten-65.) und
ihren Autor (Setzlisten-22.) – in jeder Runde auf der Höhe zu sein und sich durchzukämpfen.
Die Kundigen unter Ihnen wissen selbstverständlich, dass Marcus seit einiger Zeit für die
USG Chemnitz auf Punktejagd geht ... auf Grund seiner gellertstädtischen Schachwurzeln
(und, weil man bei drei Protagonisten den Bericht spannungsreicher als bei zweien gestalten
kann) darf er in der Schilderung natürlich nicht fehlen.
Was auch gleich Runde eins beweist – los geht’s!
Tag 1: Die erste Runde bringt mit Bogdanovich-Rosenblatt gleich einen Kracher auf die
Tagesordnung. Mit Schwarz hält Marcus gut mit – ihm fehlt es jedoch etwas an Raum und
aktivem Spiel. Sein vorsichtiges Spiel erinnert an ein Heimspiel des FC Augsburg in der 2.
Liga. Leider wird er daher nach vier Stunden vom IM trotz reduzierten Materials
auskombiniert. Norbert hat es auslosungsbedingt mit einem Außenseiter zu tun und sammelt
schnell Figur + Bauer ein. Dumm nur, wenn man dann in der technischen Phase durch einen
Trick einen glatten Turm einstellt!!! Mit Turm+Läufer+Bauer (der sich später noch
verabschiedete) gegen zwei Türme ist die Punkteteilung dann das höchste der Gefühle. Aber
den Vogel schieße wohl, ganz unbescheiden gesagt, ich ab. Mit Schwarz will ich gegen
meinen älteren Gegner (DWZ 1750, Geburtsjahr 17... äh 1930) schnell spielen, um durch die
angewandte FIDE-Bedenkzeit nicht in Schwierigkeiten zu kommen. Leider spielt er auch
schnell ... und auf Angriff. Dabei weicht er an einer Stelle von der Theorie ab (wodurch sein
Angriff noch bedrohlicher als die Lehrbücher es prognostizieren aussieht) und kommt
schließlich zu einem großen Stellungs- UND Zeitvorteil. Das war ein Satz mit x – und der
Alptraum einer Auftaktniederlage hat mich ereilt. Abwechselnd kreisen zwei Gedanken durch
meinen Kopf: Welche Platzierung ist jetzt wohl noch realistisch? Und: Kann ich das DWZMinus
bis zum Turnierende wenigstens noch im erträglichen Rahmen halten? (Was fast nur
mit 6 aus 7 bei einem mäßigen Schnitt funktioniert). Na ja, Mund abputzen und weiter ...
Schließlich bin ich in guter Gesellschaft: Die achtgesetzte Tatjana Melamed wurde im
Endspiel von Rainer Kutscha sehenswert „ausgekegelt“. Aber ist das wirklich ein Trost?! Man
weiß es nicht ...
In Runde zwei gewinne ich zum Glück nach einem Eröffnungsfehler meines Gegners schnell
eine Figur für zwei Bauern und dann die Partie. Wäre ja auch noch schöner, gleich noch mal
zu patzen. Marcus siegt kampflos, kann also sogar noch mehr Kraft sparen. Kraft hatte auch
Norbert gespart – allerdings mit gnadenlosem Materialgeholze gegen Frank Kapp. Auch in
Runde zwei reicht es somit nur zu einem Remis für ihn.
Erwartungsgemäß gibt es an der Spitze am ersten Tag kaum Überraschungen. Lediglich IM
Vladimir Okhotnik verliert gegen Dr. Günter Schmidt von Eiche Reichenbrand. Hört, hört ...
Tag 2: Da ich ja noch fünf Punkte holen muss, geht’s gleich weiter. In einer diesmal
konzentriert geführten Schwarzpartie besiege ich meinen 1850er-Gegner sicher. Am
Nebenbrett ist Marcus mit Weiß gegen Roland Ketzscher am Werke (weshalb meine
Bewegungsfreiheit bierglasbedingt auch eingeschränkt ist). In einer beherzten Partie kann
Marcus die Initiative trotz Bauernverlustes an sich reißen und Rolando auskombinieren.
Eine sehr gute Leistung, der auch Norbert nicht nachzustehen gedenkt – jedoch unter anderen
Vorzeichen. Er muss seinen wüst angreifenden Gegner zuerst ausbremsen, um schließlich das
eingesammelte Materialplus zu verwerten.
Runde vier bringt nun eine erste Richtungsentscheidung: wir haben mit 2/3 die Chance, uns
bei einem weiteren Sieg oben festzusetzen – oder aber, recht endgültig im Bermudadreieck
der Tabelle (Rang 40-80) zu verschwinden. In einer zähen Weißpartie bezwinge ich Thomas
Kuchenbuch von Reichenbrand, immerhin ein ELO-Gegner (wenn auch nur knapp unter
2000). Es wird sehr langsam (!!!) besser mit meiner Turnierlage, denn nun sind nur noch 3/3
nötig.
Marcus schlägt mit Rainer Pappenheim den nächsten 21er-ELO-Brocken, nachdem er die
gegnerischen Angriffsbemühungen im Sizi kühl abgewehrt hat. Mit 2/3 gegen einen Schnitt
von 2100 kann sich Marcus jetzt bereits über ein ausgezeichnetes Turnier und einen satten
DWZ- und ELO-Gewinn freuen. Norbert trifft auf Favoritenschreck Rainer Kutscha. Obwohl
Rainer freimütig für die Initiative Bauern opfert, kann Norbert dem Druck standhalten und
gewinnt letztlich sicher.
An der Spitze gibt es nach vier von sieben Runden etwa ein Dutzend 3,5er, gefolgt von einem
weiteren Pulk Dreipunkter, darunter dem Hainichener Trio. Tag drei wird – dazu braucht man
kein Prophet zu sein – an der Spitze wie auch für uns mit den Paarungen Bogdanovich-
Molzahn und Rosenblatt-Uhlemann richtungsweisende Bedeutung haben.
Tag 3: Die Geschichte der fünften Runde ist schnell erzählt: Da Marcus noch mit den Folgen
einer Erkältung zu kämpfen hat, geht der Punkt kampflos an mich – kein schlechter
Kompromiss, da Marcus seine tolle Performance behält und ich im Rennen um die Plätze
zumindest noch nicht überrundet werde.
Norbert bekommt gegen Bogdanovich die von ihm vorbereitete Variante aufs Brett und kann
Druck ausüben. Letztlich zieht er nach einer Unkonzentriertheit zwar den Kürzeren, aber mit
seiner Leistung und den gesetzten offensiven Akzenten kann er sehr zufrieden sein.
Schlusstag: Gegen Thomas Kuchenbuch kommt Norbert zu einem sicheren Sieg. Gegen mich
hatte der in Runde vier aber mehr Widerstand geleistet, tztztz. Abwechslungsreicher geht es
da schon bei Marcus gegen Matthias Hörr zu. Nach einem Quale-Gewinn geht bei Marcus ein
Bauer nach dem anderen verlustig, so dass er zum Schluss eine gehörige Portion Glück
bemühen muss, um noch den vollen Punkt einzustreichen. Aber was soll’s: Sein Aufschwung
hält an, denn mit Matthias hat Marcus den dritten deutlich besser gesetzten Gegner in Folge
„weggenommen“. Für mich läuft’s derweil wieder holprig: Gegen den Neu-Auer Cliff
Wichmann (man muss sich immer noch dran gewöhnen) behandle ich die Eröffnung mit den
schwarzen Steinen zu zaghaft und darf meiner eigenen Exekution beiwohnen (ein
zweifelhaftes Vergnügen). Zwar kann ich, am Abgrund stehend, noch eine ganze Weile
Widerstand leisten, aber das Spiel auf ein Tor geht letztlich erwartungsgemäß aus. Somit
notieren Norbert, Marcus und ich vor der abschließenden siebenten Runde mit 4/6 einen
Punkt hinter der absoluten und einen halben Punkt hinter der erweiterten Spitze. Leider dürfen
das bei diesem großen Teilnehmerfeld viele Schachfreunde von sich behaupten. Nur ein Sieg
bringt jeden von uns also noch entscheidend nach vorn.
Runde sieben führt zu den vermuteten rauchenden........... äh, Köpfen (Was wohl sonst?! Was
dachten Sie denn? Zigaretten, Colts, oder gar etwas Schlüpfriges???). Den Auftakt macht
Marcus gegen Eric Simon. Er erhält mit Weiß aus der Eröffnung heraus soliden Vorteil, den
er Schritt für Schritt auszubauen weiß. In dieser Phase wirft man auch gern mal den Punkt im
Sonnenschein des erwarteten Triumphes weg – aber nicht so Marcus an diesem Tag (oder
besser: in diesem Turnier). Er kann seine tolle Leistung mit einem Schlussrundensieg krönen
und erreicht 4/5 (2 Partien kommen kampflos dazu) bei einem Gegnerschnitt von weit jenseits
der 2000er-Schallmauer.
Nach hartem Kampf muss Norbert mit Schwarz gegen einen Gegner um DWZ 2000 ins
Remis einwilligen. Ärgerlich, aber er hat alles probiert und es reichte einfach nicht ganz zum
Gewinn. Das kann ich so sicher sagen, da ich die Chose vom Nachbarbrett aus inspiziert habe.
Mit 4,5/7 ist Norbert etwa im Soll, hat sich aber vielleicht auch mehr erhofft.
Viel Zeit zum Analysieren von Norberts Schlussrundenpartie habe ich indes nicht, da ich trotz
Stellungsvorteils nach dem entscheidenden Durchbruch fahnde. Die letzten Sekunden auf
meiner Uhr verrinnen (20, 19, 18, Zug, 48, 47, 46, ..., 20, 19, 18, Zug usw.), die gegnerischen
Remisangebote nehmen zu (fünf insgesamt) – verdammter Biber. Kurz vor (!!!) der
Zeitkontrolle begeht mein Kontrahent einen folgenschweren Fehler, der mich das Endspiel
letztlich doch noch gewinnen lässt. Na also. Mit 5/7 kann ich das Turnier zumindest
versöhnlich abschließen, wenn mich ein sattes DWZ-Minus auch lange an den Ausflug nach
Einsiedel erinnern wird.
Fazit: Schlussendlich setzen sich die Favoriten im Kampf um die Top-Ten-Platzierungen
durch. Wir drei Hainichener können Spielpraxis sammeln und allesamt mit der erzielten
Punktzahl zufrieden sein – Marcus noch dazu mit seiner Leistung. Wenn er bald die DWZRegion
1900-2000 erreicht hat, findet sich bestimmt in Hainichens Erster Mannschaft ein
Plätzchen für ihn ...
Hier noch für alle Auswendiglerner und Motivsockenträger der Abschlussstand des
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